Worum geht´s?
Modeerscheinung, oder tatsächlich ein Ding? „Bereuende Mutterschaft“ soll zusammenfassen, was manche Mutter wohl schon geahnt hat: Nicht jede Mutter geht vollends auf in ihrer Rolle und nicht jede würde es nochmal genauso machen.
Die Soziologin Orna Donath hat mit ihrer 2015 veröffentlichten Studie, unter eben diesem Titel, den Begriff geprägt und großes öffentliches Interesse auf dieses sensible Thema gelenkt. Sie hat ausnahmslos Frauen befragt, die die Frage „Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, mit Ihrem heutigen Wissen und Ihrer Erfahrung, würden Sie dann nochmal Mutter werden?“ mit „Nein“ beantwortet haben und mit den Ergebnissen ihrer Befragung eine lebhafte Debatte ausgelöst.
Was ist daran überraschender? Die Tatsache, dass es Mütter gibt, die sich ein Leben ohne Kinder zurückwünschen oder der gesellschaftliche Aufschrei der damit einhergeht, dass es wohl Mütter gibt, die sich in ihrer Rolle nicht wohl fühlen?
Familienplanung ist zu oft keine Privatsache
Erstmal ist Reue an sich nichts Besonderes – Menschen können Fehlentscheidungen treffen und sich im Nachhinein klarwerden, dass sie lieber doch eine andere Entscheidung hätten treffen sollen. Sei es die Wahl des Studiums oder des Wohnortes, eine teure Investition oder eine Freundschaft die uns nicht guttut – wir sind völlig frei solche Entscheidungen zu treffen und gleichzeitig völlig frei, diese Entscheidungen zu bereuen und später nochmal in Frage zu stellen. Aber es gibt einen Punkt, da hört sie auf, diese gesellschaftlich tolerierte Entscheidungsfreiheit: und das ist bei der Familiengründung. Familien und insbesondere Kinder sind für unsere Gesellschaft von so großer Bedeutung, da bildet sich gerne jeder Nachbar und jede entfernte Bekannte (beispielhaft) ein, ein Mitspracherecht zu haben. Da kann man nicht einfach entscheiden was man will, sondern immer zum Wohle der Familie, ganz entsprechend der klassischen Rollenbilder mit denen der Großteil der Gesellschaft konform gehen kann. Da gibt es keine Einzelgänger oder Ausbrecher die das System in Frage stellen. Denn genau das ist es, was die Gesellschaft an einer solchen Studie und an einem solchen Phänomen ins Wanken bringt: Unsicherheit darüber, ob es in Ordnung ist, wenn Frauen/Mütter es bereuen Kinder bekommen zu haben.
Es sind die Umstände, die es so schwierig machen, Mutter zu sein
Keine der Mütter gab an, dass diese Reue mit dem Charakter des Kindes zusammenhing, sie alle beteuerten, ihre Kinder zu lieben. Aber die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die familienfeindlichen Strukturen sind es, die dazu führen, dass Mütter meinen, ihr Leben könnte leichter, schöner, weniger stressig etc sein, wenn sie nicht Mutter geworden wären.
Was sagt das über uns als Gesellschaft aus?
Und das ist es, was der Gesellschaft den Spiegel vorhält: Wir wollen Kinder in unserer Mitte, wir brauchen Nachwuchs, der in vielerlei Hinsicht von größter Bedeutung für unsere Zukunft ist – aber wir schaffen Strukturen, in denen es diese Kinder und die Menschen die für sie sorgen (in erster Linie ihre Eltern) äußerst schwer haben. Die Erwartungen an Eltern sind immens hoch, der Druck ist riesig – schließlich liegt das Wohlergehen und Gedeihen eines oder mehrerer kleiner Menschen in unseren Händen. Da kann man vieles falsch machen und das spüren Eltern jeden Tag. Die gesellschaftlichen Strukturen sind knallhart was das Beurteilen und Verurteilen von „gutem, mütterlichen Verhalten“ angeht. Schnell wird man abgestempelt als „Rabenmutter“ und ehe man sich‘s versieht ist man eine, die als überfordert gilt oder die nichts gebacken kriegt (überspitzt natürlich).
Regretting Motherhood ist demnach in den Augen der Gesellschaft gleich ein Zeichen für persönliches Versagen und das Unvermögen die eigenen Bedürfnisse zurück zu stecken
denn eins ist klar: Frauen wollen Mutter werden, dass ist einfach erfüllend. Und wer diese romantische Vorstellung vom Mutter-sein nicht spürt – mit dem stimmt wohl etwas nicht.
Dabei sind es doch eben diese Rahmenbedingungen, die es Müttern (und auch Vätern) so schwer machen, ein individuell als erfüllend empfundenes Leben als Mutter zu gestalten und zu leben. Der Platz reicht hier nicht aus um näher einzugehen auf politische (Fehl-) Entscheidungen, die dazu führen, dass es für Eltern zunehmend eine finanzielle, ökonomische oder gesundheitliche Belastung wird, wenn sie eins oder mehrere Kinder in die Welt setzen – ist doch klar, dass es Eltern gibt die darunter leiden und diesen Schritt schließlich auch bereuen.
Wir können unsere Kinder lieben und trotzdem sehnsüchtig an ein anderes Leben denken, in dem wir mehr Freiheiten hatten. Jedes einzelne Kind ist so liebenswürdig auf seine Weise, wir würden keins davon nicht-haben wollen und dennoch: man kann es bereuen, Mutter geworden zu sein. Manch eine stellt fest, dass sie all diesen Rollenvorstellungen von der liebevollen, aufopfernden, fürsorglichen Mutter nicht entsprechen kann oder will, oder bekommt zu spüren, dass Vereinbarkeit von Job und Familie noch immer utopisch ist, oder verliert Freunde und ist als Mutter plötzlich einsamer als je zuvor. Nicht jede, die das erlebt würde die Frage mit „Nein“ beantworten, ob sie es bereut, Kinder bekommen zu haben – aber die Ambivalenz dahinter spüren wohl viele Eltern.
Um diesen Gefühlen Raum zu geben und die empfundene Ambivalenz in Worte fassen zu können, müssen wir alle dafür sorgen, dass Offenheit und ein verurteilungsloser Umgang miteinander Wirklichkeit wird. Werde du die Veränderung, die du dir im Leben wünschst.